Heute geht es nicht um die "korrekte Begrüßung", das "Einhalten von Terminen" oder sonst klassische Knigge. Es geht darum, achtsam zu sein.
Wir, die Steuerberater:innen, aber auch nahezu alle anderen Branchen beklagen ein Nachwuchsproblem. Betonung auf "klagen". Es fehlt an Achtsamkeit.
In den letzten Wochen hatte ich Zeit und auch Motivation, mich mit Fehlern der Vergangenheit auseinanderzusetzen und zu versuchen, als "Außenstehende" zu erkennen, was in meiner bisherigen beruflichen Laufbahn in Führungspositionen oder durch Führungspositionen schief gelaufen ist.
Die Wahrheit tut manchmal weh, aber wenn man nicht mehr denken darf, wer ist man dann überhaupt noch?
Generation Z ist nicht faul. Es sind andere Denkmuster, die junge Menschen prägen. Was wir nicht wahrhaben wollen: wir können diese Leute nicht mit Geld kaufen, sondern mit aufrichtigen Zugeständnissen. Es geht darum, Arbeit einen Sinn zu geben. Abschätzig geben wir "Älteren" uns damit zufrieden zu behaupten, in dieser Welt liefen vermehrt "Narzissten" umher, die stets nur eines im Kopf hätten: ihre Selbstsucht.
Narzissmus bedeutet aber nicht selten, sich selbst zu überschätzen und andere manipulativ zu beeinflussen, ja sogar zu instrumentalisieren. Das ist nicht der Anspruch junger Leute. Generation Z möchte sich selbst verwirklichen, das ist niemals Narzissmus. Es ist der (hohe) Anspruch an sich selbst, sich mit nicht weniger als der bestmöglichen (beruflichen) Option zufrieden zu geben.
Führungskräfte und Arbeitgeber:innen sind gefordert ihr Verhalten entsprechend anzupassen und Denkmuster aufzubrechen. Wir wollen ja schließlich nicht alleine in leeren Büros sitzen ?! Wir müssen Mitarbeiter:innen halten. Das geht nicht mit Laptop, Firmenhandy und Obstkorb, aber vielleicht mit Achtsamkeit.
"Du musst für das brennen, was du tust, um das Feuer in anderen entfachen zu können!" Einer meiner Glaubenssätze, den ich zuletzt reflektieren musste. Der Grat zwischen "brennen" und "ausbrennen" ist dabei fließend.
Im beruflichen Hamsterrad gefangen, erkennen wir häufig nicht, dass wir die nachfolgende Generation genau mit jenen Tätigkeiten "verbrennen", derer wir uns gerne selbst entledigen. Das alles unter dem Deckmantel, dass jeder einmal lernen müsste. Oder wie eine HR Leitung zu mir einmal sagte: "Lehrjahre sind keine Herrenjahre."
Natürlich ist jeder bereit zu lernen, der in einem Beruf neu ist. Aber: Würden wir uns selbst mit ewig gleichen Routinetätigkeiten zufrieden geben? Wollen wir selbst nicht auch immer das Beste für uns? Dann sollten wir das auch für unsere Umgebung wollen.
ZUHÖREN ist das Wort der Stunde. Die meisten Mitarbeiter:innen merken ihre Ängste, Bedürfnisse und Glaubenssätze zwischen den Zeilen an und nicht selten werden sie überhört.
Ein lieber Ex-Chef von mir, der mir wirklich viel auf meinem Weg mitgegeben hat, fragte bei meiner Kündigung: "Was hätte ich tun können?" Und: "Warum kommen Mitarbeiter:innen nicht zu einem früheren Zeitpunkt und sagen - das ist nicht tragbar, ändert etwas! Ich halte das nicht mehr aus?!"
Eine Frage, mit der ich mich ebenfalls länger beschäftigt habe. Zwischen den Zeilen zu lesen, ist im stressigen Arbeitsalltag offensichtlich schier unmöglich. Junge Menschen wünschen sich gehört zu werden, ohne laut zu sein. Man muss "Inter-esse" im wahrsten Sinne des Wortes zeigen und "dabei sein" in der Lebenswelt von diesen jungen Menschen, die durchaus aufstrebend und motiviert sind, aber gestalten wollen. Wir übersehen und überhören manchmal einfach nur gerne aus Bequemlichkeit, dass jemand gute Arbeit leistet, indem er ungeliebte Tätigkeiten ausübt und uns damit das Leben erleichtert. Es fehlt die Wertschätzung und die Achtsamkeit. Vor allem aber auch der Gestaltungsspielraum.
Klassisches Beispiel in Steuerberatungskanzleien: Ein Klient ruft an, weil er meint, es wäre ein Fehler passiert. Die Abteilung oder - je nach Größe - das ganze Unternehmen rotiert.
Anderes Beispiel: Junge Mitarbeiter:innen beschweren sich über Routinearbeiten über die sie längst hinausgewachsen sind. Sie fühlen sich nicht verstanden, es wird ihnen zu wenig Eigenständigkeit zugetraut. Niemand rotiert. Es wird versucht Zugeständnisse zu machen, die man, häufig - völlig wertfrei - aufgrund der bestehenden Strukturen niemals wird halten können.
Es vergehen Wochen und Monate. Die Flamme, die brannte, erlischt. Der Mitarbeiter verlässt das Unternehmen. Das Nachwuchsproblem: hausgemacht.
Für alle, die den psychologischen Aspekt dieser Lebensrealitäten nicht wahrhaben wollen, hier der ökonomische. Was kostet es, einen Mitarbeiter mit 2 Jahren Berufserfahrung in einer Steuerberatungskanzlei zu ersetzen? Auf Basis einiger Studienergebnisse zu Nachbesetzungen, das 1,5- 2fache. Wollen wir uns das leisten? Psychisch und monetär?
Hören wir hin, wenn Menschen mit uns reden. Hören wir nicht nur das. was angenehm ist und überhören das, was nicht in unseren Arbeitsalltag passt, nicht. Passen wir uns der Lebens- und Arbeitsrealität der Folgegenerationen an und werden zu attraktiven Arbeitgebern - ohne Obstkorb, aber mit viel Engagement für das "big picture".
Ich schließe mein Plädoyer für eine bessere Arbeitswelt durch Achtsamkeit mit einem Satz eines Kollegen: "Seit du da bist, passiert etwas." "Es bewegt sich."
Das erste Mal, dass sich zuhören ausgezahlt hat. Nur weil eine Lebenswelt für eine Person passt, heißt das nicht, dass das auch für andere Personen gilt. Mitarbeiterbindung kostet die ein oder andere Stunde an Lebenszeit. Aber wer ist man, wenn man den gesamten Arbeitstag nur mit Maschinen beschäftigt ist?
Individualität ist nicht Narzissmus. Liebe HR Gestalter:innen: seid achtsam!
#entfaltedich
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